Manchmal braucht es den sprichwörtlichen Tritt in den Hintern vom Universum, damit wir endlich aufwachen – bei Seppo war’s gleich ein Dreierpack: ein geplatzter Millionendeal (Aua fürs Ego), eine herbe Enttäuschung im Liebesleben (Aua fürs Herz) und ein echter Herzinfarkt (Aua für… na ja, alles). Sein Lebenslauf las sich eigentlich wie ein Werbeprospekt für Erfolg: CEO eines florierenden Unternehmens in Helsinki, schicke Villa, verheiratet mit einer Frau, bei der halb Finnland kollektiv seufzte. Doch hinter der schicken Fassade spielte Seppo eine Hauptrolle in einem Stück, das nie wirklich seins war – eher „Die Truman Show“ als „Mein erfülltes Leben“. Wie so viele Männer war auch er in eine Rolle gepresst worden, die ihm weder stand noch gefiel. Und anstatt mal kurz zu hinterfragen, ob das Ganze überhaupt zu ihm passt, hat Seppo das Leben einfach so hingenommen – wie ein schlecht sitzendes Sakko, das zwickt, aber „halt dazugehört“.

Der goldene Käfig der Erwartung – jetzt auch in Männergröße
Seppo ist kein tragischer Einzelfall im dramatischen Business-Ballett. Nein, er teilt sich die Bühne mit einer ganzen Riege Männer, die wie auf Autopilot durch ihr Leben marschieren – sei es als Sprössling eines Unternehmer-Dynastiebaums, als Karriere-Kämpfer mit Dauer-Excelblick oder als Fels-in-der-Brandung-Familienvater mit TÜV-geprüfter Zuverlässigkeit. Alle eint sie dieser unsichtbare Muskelkater im Herzen: der permanente Druck, stark zu sein. Zu liefern. Verantwortung zu schultern. Immer. Ohne Murren. Ohne Mittagsschlaf.
Für Seppo war das Familienunternehmen kein Abenteuer mit Aufstiegschancen, sondern eher wie ein schlecht getarntes Familienschicksal mit Aktenschrank und Pflichtbewusstsein. Statt Selbstverwirklichung gab’s Traditionsverwirklichung. Sein Lebensweg? Nicht selbst geschrieben, sondern vorformatiert – inklusive automatischer Einrückung und Fußnoten der Ahnen. Das Ergebnis: nach außen vielleicht beneidenswert, nach innen oft ein Vakuum in Maßanzuggröße.
Wenn das Kartenhaus zusammenbricht – und zwar spektakulär
Als Seppo seine Frau in trauter Zweisamkeit mit einem anderen erwischt, fällt nicht nur sein Kinn runter, sondern auch das letzte Blatt seines sorgfältig gestapelten Lebens-Kartenhauses. Dieser Moment war kein plötzlicher Donnerschlag – eher der dramatische Schlussakt einer lang gespielten Tragikomödie. Vorhang auf für chronische Überforderung, emotionale Funkstille und ein Alltag, der sich anfühlte wie ein Job, den man nie gekündigt hat. Der Herzinfarkt? Kein Zufall. Mehr so der Körper, der mit Megafon brüllt: „Seppo, Alter, das war’s jetzt wirklich!“
Der mutige Schritt ins Unbekannte – powered by Landstraße
Nach dem medizinischen Alarm und einem dezenten Blick in den Abgrund beschließt Seppo: Genug ist genug. Die Reißleine wird gezogen – und siehe da, nicht etwa zur nächsten Coaching-Session oder Yogareise, sondern: ein Wohnmobil. Ja, richtig gelesen. Kein Spa, kein Guru, sondern Gaskocher und Klapptisch. Sein Kumpel Anti – Arzt, Ratgeber und einer der wenigen, der nicht sofort mit „Du brauchst ein Comeback!“ um die Ecke kam – empfiehlt Seppo eine Auszeit. Solo. Auf Achse. Europaweite Selbstfindung per Tempomat.
Und wie romantisch das auch klingen mag – „Freiheit! Neuanfang! Selbstbestimmung!“ – die Realität hat eher was von Campingplatz-Existenzangst. Denn da draußen, zwischen italienischem Kreisverkehr und französischen Mautstellen, wartet keine chillige Sinnsuche, sondern die ganz große Lebensfrage: Wer bin ich eigentlich ohne Terminkalender und Statussymbole? Die Angst fährt immer mit – vor dem Alleinsein, vor dem Urteil der anderen, und ganz besonders vor dem eigenen Spiegelbild. Und plötzlich ist da diese kleine, unbequeme Frage auf dem Beifahrersitz: Wohin soll diese Reise eigentlich gehen? – und gemeint ist ausnahmsweise nicht der nächste Campingplatz.
Warum Aussteigen so schwer ist – besonders, wenn man(n) es tut
Leistung, Status, was hermachen – männliche Identität klebt oft so fest an diesen Schlagwörtern wie Krawattenträger an Montagmorgen-Meetings. Wer nichts „vorzuweisen“ hat, wird schnell in die Kategorie „verloren“ einsortiert. Dabei ist Innehalten kein Scheitern – es ist, ganz im Gegenteil, ein ziemlicher Akt der Rebellion. Nur eben einer, den man(n) nicht auf LinkedIn posten kann. Für Typen wie Seppo ist dieser Mut kein spontaner Geistesblitz – eher ein mühsam erarbeiteter Befreiungsschlag aus dem emotionalen Bürokorsett.
Denn wer aussteigt, verabschiedet sich nicht nur von der Firmenmailadresse, sondern gleich von einem ganzen Lebenskonzept. Jahrzehntelang eingeimpfte Erwartungen – sowohl von außen (“Du musst…“) als auch von innen (“Ich sollte…“) – lösen sich nicht in Luft auf, nur weil man plötzlich im Wohnmobil übernachtet.
Viele Männer stolpern genau hier. Sie definieren sich über Funktionen: Ernährer, Macher, Mann mit Plan. Doch dann kommt sie, diese unbequeme, aber unausweichliche Frage: „Wer bin ich eigentlich, wenn ich gerade mal nix mache?“ Spoiler: Sie tut weh. Aber sie ist überfällig.
Seppos Reise – keine Flucht, sondern eine Rückfahrt zum Ich
Seppos Roadtrip ist kein kitschiger Instagram-Selbstfindungstrip mit Sonnenuntergangsfilter. Es ist eine Reise mit ernstem Gepäck – und ohne Rückfahrkarte. Mit jedem Kilometer lässt er nicht nur Autobahnraststätten hinter sich, sondern auch das alte Leben, das ihn krank gemacht hat. Und ganz langsam, irgendwo zwischen Schweden und der deutschen Grenze, passiert’s: Sein Blick verändert sich. Er sieht wieder – Vögel, Bäume, das Licht im Abendhimmel. Dinge, die im Alltag vorher höchstens als Hintergrundrauschen durchgingen.
Fazit (aka der Moment für’s Notizbuch):
Seppos Geschichte zeigt: Es ist nie zu spät, sich selbst wieder zu begegnen. Und manchmal braucht es mehr Mut, die Handbremse zu ziehen, als Vollgas zu geben. Vielleicht sollten wir endlich damit aufhören, Männer an PowerPoint-Folien und Kontoauszügen zu messen – und stattdessen mal schauen, wie’s so um ihre Seele steht.
Neugierig geworden? Dann schnallt euch an – mein Roman „Liebe, Schafe und andere Umwege“ erscheint am 04.07.2025. Ein bisschen Seppo, ein bisschen Chaos, ziemlich viel Herz.